Wie sieht Euer Übe-Alltag aus? Ich habe eigentlich immer gerne geübt, so schrieb ich in meinem vorigen Artikel. Und das ist ein Glück. Im Augenblick ist leider vieles anders – und an manchen Tagen fällt mir das Üben sehr schwer. Wenn es Euch auch so geht, dann ist der folgende Beitrag für Euch interessant.
Üben normalerweise: Ein Kreislauf
Normalerweise mache ich ein paar Einsinge-Übungen, feile an technischen Aspekten und bereite dann das Repertoire für die nächsten Konzerte vor.
Schon während des Übens bin ich gespannt darauf, wie es mit Orchester oder Chor zusammen klingen wird. Ich freue mich auf die gemeinsame Arbeit mit den Kolleg*innen in den Proben, auf den Austausch mit ihnen und auf ihr Können. Es ist ein Ansporn für mich, mich dabei, so gut ich kann, einzubringen.
Den Abschluss der Übe-Zeit bildet das Konzert. Kräfte und Konzentration werden gebündelt, auf der Bühne entsteht diese besondere Energie. Ich bin Teil eines pulsierenden Kokons, wir erschaffen gemeinsam ein Klang-Erlebnis, das auch das Publikum mit einbezieht.
Das Ende abrupt. Der Klang ist verflogen. Zack, Normalität.
Und dann geht der Kreislauf mit dem nächsten vorzubereitenden Programm wieder von vorne los.
So oder ähnlich machen es wohl die meisten.
Üben in der Pandemie
Es sei denn, es ist Pandemie. Da fehlt die eine Hälfte dieses Kreislaufs. (Leider ausgerechnet die, für die wir bezahlt werden...).
Ich gehe also in mein Arbeitszimmer, klappe das Klavier auf, singe halbherzig ein paar Übungen, klappe das Klavier wieder zu und mache irgendetwas anderes. An manchen Tagen schaffe ich es, ein Lied zu singen, irgendetwas, das ich gerne mag. Und dann lege ich es halbfertig und mittelmäßig zur Seite.
Ein Anreiz zum Üben fehlt - jenseits von: „Ich muss in Form bleiben.“
Kein Mensch weiß, wann es für uns Musiker*innen und ganz besonders Sänger*innen wieder losgehen kann mit Konzerten. Und die Arbeit in diesem Vakuum erscheint immer wieder vollkommen sinnlos.
Ja, wir müssen uns fit halten. Aber für wann genau?
Ja, musizieren an sich macht auch Spaß. Aber wir wurden dazu ausgebildet, für andere Menschen Musik zu machen. Und übrigens gegen Geld.
Über den Unterschied zwischen abgespielten Tonträgern und Live-Erlebnissen muss ich hier nichts schreiben.
Zum Glück sind nicht alle Tage so, und dank eines Buchs mit Gesangsübungen, die vor schwarzen Balken und Hilfslinien nur so strotzen, hat mich der Ehrgeiz gepackt, und ich arbeite mich jetzt Stück für Stück hindurch. Diese Gurgelübungen sind nicht für eine Aufführung bestimmt und waren es nie. Ich stelle die Stimme an und wieder aus, Rachenputzer rauf und runter - und es macht mir sogar Spaß.
Darüber bin ich sehr erleichtert! Da ich aber weiß, dass auch andere dieser Tage darunter leiden, dass sie sich nicht zum Üben aufraffen können, habe ich hier eine Anregung aus dem NLP zur Selbsthilfe:
Die Übung „Go for It“
Du brauchst dafür vier „Bodenanker“. Dafür kannst Du kleine Gegenstände oder einfach Papier benutzen. Leg sie mit ca. 1 Meter Platz zwischen einander in einer Reihe auf dem Boden aus. Jeder markiert eine bestimmte Situation aus Deinem Leben.
Nr. 1: ZWEIFEL
Nr. 2: FRUST
Nr. 3: GO for IT
Nr. 4: ZIEL
Als nächstes überleg Dir, welche Situationen Du für diese Übung konkret nutzen willst.
Für Nr. 1 brauchst Du eine Szene, in der Du Zweifel hast.
Statt loszulegen und etwas zu tun, bleibst Du sitzen. Du hast vielleicht Gedanken wie „Na, ob ich das wirklich tue / schaffe?“, „Was soll das bringen?“ oder „Soll ich oder soll ich nicht?“
Für Nr. 2 überleg Dir eine Situation, in der Du sehr frustriert bist.
Das kann z. B. der Frust darüber sein, schon wieder nicht geübt zu haben. Oder eine erneute Konzertabsage. Oder... ?
Nr. 3 steht für ein Erlebnis, bei dem Du mit Begeisterung losgegangen bist oder losgelegt hast.
Fällt Dir ein Satz ein, den Du bei solchen Gelegenheiten innerlich zu Dir sagst? Etwas wie „Na los!“ oder „Los geht’s!“ vielleicht?
Nr. 4 repräsentiert das Ziel, das Du erreichen möchtest.
In diesem Beispiel könnte es sein, wie Du ganz konzentriert, erfüllt und erfolgreich übst.
Im nächsten Schritt stellst Du Dich nacheinander auf einen der Anker und versetzt Dich in die zugehörige Situation hinein.
Nimm Dir Zeit, schließ die Augen und erinnere Dich jeweils ganz genau daran, was Du dort 1. siehst, 2. hörst, 3. fühlst (sowohl physisch als auch emotional), 4. riechst oder schmeckst.
Wenn Du alles erfasst hast, schau einen Augenblick aus dem Fenster o.ä., um Dich abzulenken und von der Situation zu trennen.
Dann geh zum nächsten Bodenanker und wiederhole mit der zugehörigen Situation die Schritte (sehen, hören, fühlen, riechen/schmecken), bis Du alle vier Stationen durchlaufen hast.
Du hast jetzt Deine Anker eingerichtet, die das zugehörige Gefühl repräsentieren.
Der nächste Durchgang geht schneller: Nacheinander gehst Du vom „Zweifel“ zum „Frust“, dann zum „Go for It“ und danach zum „Ziel“. Bleib jeweils so lange stehen, bis Du die zugehörigen Gefühle und alle Eindrücke der Station wahrnehmen kannst, dann geh weiter zum nächsten Anker.
Vom „Ziel“ aus gehst Du außen an der Linie entlang zurück zum „Zweifel“ und beginnst wieder von vorne.
Mach mindestens drei Durchgänge. Du kannst beim „Go for it!“ Deinen motivierenden Satz, Dein persönliches Startsignal laut aussprechen, wenn Du den Schritt Richtung Ziel gehst.
Wie ist es jetzt für Dich, wenn Du ans Üben denkst? Was hat sich verändert?
Kleine Übung, große Wirkung!
Sie fällt in den Bereich der „Strategien“. Strategien haben wir im Leben für die Dinge, die wir immer wieder tun. Wahrscheinlich hast Du eine Strategie, um gut einschlafen zu können oder eine, um regelmäßig Joga zu machen usw. Diese hilft Dir um wieder regelmäßig und mit Freude zu üben. Vom Zweifel über den Frust kommst Du zur Motivation und erreichst dann Dein Ziel. Die Verknüpfung der Gefühlszustände in Gedanken hilft Dir, tatsächlich aktiv zu werden. Du kannst sie natürlich auch für andere Tätigkeiten nutzen, zu denen Du Dich schlecht aufraffen kannst - Steuererklärung z.B.
Ich hoffe, die Übung hilft Dir weiter. Ich habe sie schon oft benutzt, bei mir selbst und mit Klient*innen im Coaching, wenn wir uns mit den Herausforderungen beschäftigen, die ihrem Erfolg im Wege stehen. Bin neugierig, wie es Dir mit "Go for It!"ergeht und freue mich über Deine Erfahrungen aber auch Fragen. Schreib mir gerne.
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