Ich bin ein Mensch, der in Phasen lebt.
Die kontinuierlichste Phase ist die des Singens, denn das tue ich schon, solange ich denken kann, und da gab es nur ganz wenige kurze Unterbrechungen.
Ich hatte aber auch mal eine Omelett-Phase, da habe ich wochenlang nur Omeletts gegessen (natürlich, um abzunehmen...).
Es gab Gartenbau-Phasen, da wälzte ich Pflanz-Ratgeber und wurde zur Spezialistin für Schattengewächse.
Und es gab immer wieder Handarbeits-Phasen. Während der letzten habe ich in sehr großen Mengen sehr kleine Aufnäher für Babykleidung gehäkelt: Feuerwehrautos, Blumen, Schildkröten und sogar Noten. Das war fummelig, aber dafür waren die Dinger schnell fertig.
Zum Vergleich: Ich habe auch schon viele Pullover-Ärmel gestrickt, aber aus Mangel an fertigen Vorder- und Rückenteilen wurden die nie getragen. Sowas frustriert doch.
Aber was hat das nun mit Singen bzw. Koloraturen zu tun?
Nun, da gibt es so einiges.
Singen ist die Fähigkeit, die ich mit Abstand am besten beherrsche.
Deutlich besser als Omeletts braten oder Feuerwehrautos häkeln.
Das liegt natürlich daran, dass ich es schon so lange tue. Ich habe einfach im Laufe meines Lebens immer gesungen und Singen geübt. Zwar werde ich in diesem Leben mit Üben nicht mehr fertig werden, aber im Gegensatz zu zwei Pullover-Ärmeln ohne was dazwischen kann auch ein nicht ganz perfekt gesungenes Lied noch Freude bereiten.
Das bringt uns zu Koloratur-Tipp Nr. 1: Üben!
Du musst sie immer wieder rauskramen und üben. Je häufiger Du Koloraturen singst, desto leichter werden sie Dir fallen. Und je leichter sie Dir fallen, desto mehr Spaß wirst Du daran haben. Es lohnt sich.
Wenn Du Dir Aufnahmen anhörst, dann klingt immer alles mühelos und leicht. Lass Dich davon nicht täuschen. Auch bei Profis steckt dahinter viel Arbeit.
Damit diese Arbeit leichter wird, hier
Koloratur-Tipp Nr. 2: Geh strukturiert vor.
Vielleicht wäre auch bei mir mal ein Strick-Pulli fertig worden, wenn ich nicht schon die Ärmel x-mal hätte stricken und wieder aufribbeln müssen, weil ich die Anleitung nicht richtig gelesen hatte.
Die meisten Koloraturen sind aus Abschnitten aufgebaut, die in unterschiedlicher Tonhöhe wiederholt werden. Du kannst sie Dir ruhig in den Noten markieren. Das „Verstehen“ dieser Bausteine macht das Singen leichter.
Üb die Abschnitte zuerst einzeln und langsam, bevor Du sie zusammensetzt. Danach singst Du die ganze Koloratur gleichmäßig in langsamem Tempo. Erst wenn das sicher geht, kannst Du allmählich schneller werden. Stell Dir ruhig ein Metronom an, wenn es Dich nicht in den Wahnsinn treibt (wenn ich genauer drüber nachdenke: Mach das auf jeden Fall... ;-) ).
Koloratur-Tipp Nr. 3
bezieht sich auf den eingangs erwähnten und unbedingt zu vermeidenden Fehler:
Versuch bitte nicht, jeden einzelnen Ton der Koloratur durch Impulse der Bauchdecke zu erzeugen.
Das ist viel zu schwerfällig.
Ich habe im Gesangsunterricht schon oft erlebt, dass die Vorstellungen vom Zwerchfell sehr vage bzw. falsch sind. Die meisten haben mal gehört, dass es bei Koloraturen irgendwie „aktiv“ sein solle.
Leider kann man das Zwerchfell von außen nicht sehen. Was man dagegen sehr gut beobachten kann, sind Impulse der Bauchdecke, also das Anspannen der Bauchmuskeln. Das wird dann fälschlicherweise oft für Zwerchfellaktivität gehalten.
Nicht dass wir uns falsch verstehen: Die Bauchmuskulatur hat in der Gesangstechnik durchaus einen Platz, auch bei Koloraturen, aber ganz sicher nicht den, jeden einzelnen Ton anzustoßen.
Sieh Dir im Internet mal Bilder der Bauchmuskulatur an (oder auch Fotos eines gut gebauten Sixpacks – das macht mehr Spaß). Die Bauchmuskeln sind ziemlich große Muskeln, die für eher grobe Aufgaben, die viel Kraft erfordern, zuständig sind.
Um nochmal das Handarbeitsbild zu bemühen: Wenn Du einen dicken Schal oder sogar einen Teppich häkeln willst (das gibt es!!!), dann tust Du das mit dicker Wolle und einer großen Nadel. Die hauchzarten Häkeldeckchen, die Oma früher in minutiöser Feinarbeit hergestellt hat, bekommst Du auf die Weise natürlich nicht hin.
Koloraturen sind quasi stimmliche Spitzendeckchen.
Das heißt: Du brauchst einen feinen Faden (sing sie nicht in maximaler, sondern in entspannter Lautstärke), und Du brauchst präzise, filigrane Nadeln – also ein flexibles, bewegliches Zwerchfell.
Und wie kriegst Du das hin?
Schon wieder: Üben.
Stell Dir das Zwerchfell wie ein kleines Trampolin oder Sprungtuch vor, das in Deinem Bauch aufgespannt ist. Wenn Du Murmeln oder Steinchen darauf fallen lässt, dann hüpfen sie auf der Stelle und das Trampolin gerät in kleine Schwingungen. Das entspricht ungefähr dem, was Dein Zwerchfell bei Koloraturen macht.
Stell Dir nun vor, Du hast einen Teller, auf dem ein paar Reiskörnern liegen, zwischen denen sich Staub angesammelt hat. Versuch nun, mit vielen kleinen Pustern (z.B. auf f-f-f-f-f-f-f), den Staub weg zu pusten - aber so, dass der Reis liegenbleibt. Wenn Du nun dabei eine Hand auf Deine Bauchdecke legst, merkst Du, dass sie sich bewegt, aber eben nur federleicht und eher als Folge der Zwerchfellaktivität und nicht als treibendes Element.
Du brauchst dafür geweitete Rippen (einen geweiteten Brustkorb), denn sie bilden den Halterahmen für Dein „Zwerchfell-Trampolin“. Fällt Dein Brustkorb zusammen, ist die Flexibilität des Zwerchfells eingeschränkt.
Die großen Bauchmuskeln unterstützen das alles mit einer elastischen Grundspannung. Möchtest Du musikalische Akzente und Betonungen setzen, dann kann auch mal ein größerer Impuls von ihnen ausgehen.
Ganz schön anspruchsvoll, was? Schließlich müssen jetzt auch noch die richtigen Töne mit der Atmung verknüpft werden.
Online-Kurs „Hilfe zur Stimm-Selbsthilfe“:
Ich kann es besser und leichter erklären, wenn ich es Dir vormache. Das passiert z.B. in meinem nächsten Online Kurs. Da ist nämlich auch das Singen von Koloraturen ein Thema. Wenn Du also gemeinsam mit ein paar anderen und mir üben möchtest, dann meld Dich gerne an zur „Hilfe zur Stimm-Selbsthilfe“:
Es gibt vier Mittwoch-Termine:
16.2.22
23.2.22
2.3.22
9.3.22
jeweils von 19-20 Uhr online via Zoom.
Was sind die Inhalte?
1. Grundlagen: Atmung, Haltung, Stütze
2. Stimme stärken mit den richtigen Übungen
3. Koloraturen und Legato
4. Wie erarbeite ich mir selber ein neues Stück?
Und was kostet das?
79€.
Bonus
Für Teilnehmer*innen biete ich als Bonus zum Kurs zusätzlich einen vergünstigten Einzel-Unterricht an: 39€ für 45 Minuten.
Ich freue mich sehr, wenn ich Dir stimmlich weiterhelfen kann. Schreib mir einfach eine kurze Mail, dass Du an dem Kurs teilnehmen möchtest, dann melde ich mich bei Dir. Vielleicht hast Du noch eine Sanges-Schwester oder einen Chor-Bruder, der auch Interesse haben könnte, dann leite den Artikel hier gerne weiter.
Und wer sich auf meiner Seite www.stimm-erfolg anmeldet, wird über alle neuen Artikel und Stimmtipps direkt informiert.
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